Um Mark Zuckerberg und sein gigantisches Social-Media-Universum war es in den letzten Wochen und Monaten alles andere als still. Erst die Umbenennung des Mutterkonzerns Facebook nach allerlei Skandalen, gefolgt von einem furiosen Keynote-Vortrag zum neuen Metaverse und dann wäre da noch der neu aufgeflammte Datenschutz-Konflikt mit der EU, der zuletzt in einer Drohung endete, Facebook und Co. in Europa abzuschalten. Viele der Turbulenzen sind hausgemacht und haben weitreichende Konsequenzen nach sich gezogen. Doch wie sind die Reaktion der Unternehmensführung zu deuten? Gibt es einen Kurswechsel?
Gründe für die neue Namensgebung
Ende 2021 ließ Zuckerberg nach 16 Jahren den neuen Namen seiner Dachgesellschaft verkünden: Meta. Obwohl der Facebook-Erfinder diesen Schritt damit begründet, das Portfolio seines Unternehmens auf eine neue Ebene zu heben – weg vom Bild des Social-Media-Giganten und hin zu einer allumfassenden Plattform, um Menschen miteinander zu verbinden – so braucht es doch nur wenig Sachverstand, den wahren Kern dieses Unterfangens zu durchschauen. Denn Zuckerberg und sein Unternehmen waren in jüngster Vergangenheit enormem Druck ausgesetzt.
Kritik kam nicht nur von Seiten der Bevölkerung, sondern auch von der Politik. Facebook betreibe Machtmissbrauch, sei verstrickt in üble Interessenskonflikte und beeinflusse seine Nutzer emotional aus Profitgier. Mit den Aussagen der ehemaligen Facebook-Mitarbeiterin und Whistleblowerin Frances Haugen entwickelte sich der Sturm letztendlich zu einem ausgewachsenen Orkan. Der globale Aufschrei war immens, schließlich waren die Belege nun nicht mehr anzuzweifeln. Das Kind Facebook war in den Brunnen gefallen und Zuckerbergs Zurückweisungen können es bis heute nicht wirklich wieder hervorholen. Über Nacht brach die Facebook-Aktie um 5% ein, der US-Kongress nahm sich der Sache an.
Der Name Facebook bleibt zwar für die Plattform bestehen, doch ob der neue Titel Meta dem wuchernden Mutterkonzern nun zu besserer Publicity verhilft, scheint fragwürdig. Es stimmt, der Name Facebook wird öffentlich sehr negativ konnotiert, aber ein neues Branding wird dem Image auf längere Sicht nicht weiterhelfen. Parallelen dazu gibt es genug. Beispiel Google: Dass der Dachkonzern bereits seit mehreren Jahren Alphabet heißt, juckt kaum jemanden. Google bleibt Google und wird eben nicht nur als Produkt wahrgenommen. Ähnliches könnte Facebook drohen. Doch Mark Zuckerberg hat zur Ablenkung unlängst einen ganz anderen Ball ins Spielfeld geworfen: das Metaverse.
Metaverse – hinein in die digitale Realität
In seinem durchaus eindrucksvollen Video-Vortrag kündigt Mark Zuckerberg seine und die von Meta entworfene Vision des Metaverse vor. Dabei handelt es sich um eine virtuelle Welt, in die Nutzer mit Hilfe von Virtual- und Augmented-Reality-Technologien eintauchen und in Verbindung treten können, beispielsweise mit Hilfe von VR-Brillen der Meta-Tochter Oculus. So weit so unspektakulär. Neu sind hingegen die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten im Metaverse, die die eigene, reale Persönlichkeit im digitalen Raum erlangen kann. Laut Zuckerberg soll das Metaverse zu einem immersiven Erlebnis werden, in dem alles genau so möglich ist wie in der echten Welt. Ein zusätzliches digitales Leben.
Dazu muss zunächst erwähnt werden: Das Metaverse ist keine Erfindung aus dem Hause Meta und ist auch keine komplett neue Idee. Andere Globalplayer, z.B. aus der Gaming-Branche oder auch Microsoft, wollen das Metaverse schon länger ebenso mitgestalten. Man darf sich das Metaverse also nicht als abgegrenzten Raum vorstellen. Es soll vielmehr frei zugänglich, unkontrolliert und unabhängig sein. Jeder hat die Möglichkeit, diese Welt mit Leben zu füllen, vergleichbar mit dem World Wide Web selbst. Die Idee dahinter stammt übrigens – wie viele andere technische Innovationen auch – aus der Science-Fiction-Kultur, allen voran dem 90er-Jahre-Roman Snow Chrash von Neal Stephenson, in dem Menschen als Avatare in einer dystopischen, virtuellen Parallelwelt leben.
Dreht sich am Ende doch alles nur ums Geld?
Bisher ist nur schwer abzuschätzen, ob das Metaverse wirklich zu jener lebensverändernden Innovation taugt, die Zuckerberg in ihm sehen will. Während die einen voller Vorfreude jeder Neuigkeit entgegenfiebern, so ist das Metaverse für andere mehr „Marketing als Realität“, wie Tesla-Chef Elon Musk kürzlich kommentierte. Dass er mit dieser Aussage eventuell ins Schwarze getroffen hat, lässt sich anhand einiger Beispiele schon jetzt belegen. Denn kommerzielle Motive bekommen im Metaverse einen fruchtbaren Nährboden. Ein neuer Markt entsteht und das nicht nur für die Gaming-Community, die mit In-Game-Käufen und virtuellem Geld ja schon längst vertraut ist.
Weil das schon bald von Avataren bevölkerte Metaverse dem echten Leben ähneln soll, kann dort natürlich auch ganz klassisch mit echtem Geld eingekauft werden. Oder besser gesagt mit „echtem virtuellem Geld“ wie beispielsweise Kryptowährungen. Diese sollen nach Meinung der Metaverse-Pioniere wie Zuckerberg im besten Fall dann überall in der digitalen Realität ihre Gültigkeit besitzen. Ausgeben kann man sein Geld für alles nur Erdenkliche, doch werden Non-Fungible Token, kurz NFTs, hierbei sicher eine große Rolle spielen.
Bei NFTs handelt es sich um geschützte digitale Objekte, die erworben werden können und mit einem Eigentumsnachweis an den Käufer übergehen. Sie können nicht reproduziert, geteilt oder kopiert werden und besitzen daher wie Kunstwerke im Museum den Charakter von Einzelstücken, die sie zum Teil sehr wertvoll machen. Ihre Einzigartigkeit wird mit Hilfe einer kryptografischen Blockchain abgebildet. Hört sich kompliziert an? Ist es auch! Wissen sollte man nur, dass diese digitalen Objekte aktuell einen riesigen Hype erfahren und an speziellen Börsen im Internet gekauft werden können.
Im Metaverse erwerben Nutzer die NFTs nun nicht mehr nur als wertvolle Kunst- und Sammelobjekte, sondern auch als „Gebrauchsgegenstände“ für ihr virtuelles Alter-Ego. Natürlich steckt das Metaversum noch in Kinderschuhen, doch schon jetzt nimmt der digitale Way of Life teils absurde Formen an. Ein Beispiel: Der US-amerikanische Rapper Snoop Dogg hat unter dem Namen Snoopverse bereits ein eigenes Metaverse geschaffen. Darin existiert ein virtueller Raum, Sandbox Game genannt, in dem sich Menschen für einen Betrag von 3.000 Dollar Zugang verschaffen können. Innerhalb von Sandbox besitzt der 50-jährige Musiker wiederum nun einen digitalen Nachbau seiner kalifornischen Villa und bietet drumherum „Grundstücke“ zum Verkauf an. Einen neuen Nachbarn durfte Snoop Dogg auch schon begrüßen: Der NFT-Sammler P-Ape sicherte sich ein solches Grundstück in direkter Nachbarschaft für sage und schreibe 450.000 Dollar – wohlwissentlich, dass nichts von alledem in der echten Welt Bestand hat.
Zweifelsohne bietet das Metaversum jenseits solcher Absurditäten sicher großes Potential, auch wenn man dies nur auf die soziale Komponente bezieht. Welche Rolle Zuckerbergs Unternehmen Meta dabei spielen soll, ist allerdings noch nicht genau definiert.
Datenschutz-Dilemma mit der EU
Ein weiteres Statement, das ähnlich weite Kreise geschlagen hat, war die Drohung von Meta Anfang Februar 2022, seine Dienste wie Facebook, Instagram und WhatsApp in Europa eventuell nicht mehr zur Verfügung zu stellen. Was bei manchen sofort Angstzustände ausgelöst hat, hat andere erstaunlicherweise völlig kalt gelassen. Oder wie Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire verlauten ließ: „So what?“. Auslöser der Drohung waren und sind die strikten Datenschutzbestimmungen der EU, welche verbieten, dass die Daten der europäischen User auf US-amerikanischen Servern ausgewertet werden dürfen.
Diese Blockade des Datenflusses von Europa in die USA stört Zuckerberg enorm, schließlich verdient sein Unternehmen Meta hauptsächlich durch genau diese Nutzer-Daten. Alles in allem stellte sich die vermeintliche Drohung, wie viele Experten ohnehin vermuteten, aber dann als heiße Luft heraus, denn in der EU nutzen täglich 400 Millionen Menschen die Meta-Dienste – von heute auf morgen auf diesen Milliarden-Markt verzichten zu müssen, könnte selbst Meta kaum verkraften. Dennoch bleibt die Datendiskussion bestehen und die EU zeigt sich in diesem Punkt äußerst stur und wehrhaft. Es bleibt also steinig für Zuckerbergs Datenkrake.
Die ganze Story hat aber einen ganz anderen Aspekt an die Oberfläche gebracht, der Meta so eventuell noch nicht bewusst war: Die Drohung alles abzuschalten, ob wahr oder fake, war dem Großteil der europäischen Nutzer maximal ein Schulterzucken wert. Das dürfte Metas Chefetage verunsichert haben: Welche Relevanz werden die Social-Media-Dienste im Europa der Zukunft haben? Kann das Metaverse die Innovationskraft von Mark Zuckerbergs Universum noch einmal zu alter Stärke verhelfen? Am Ende entscheiden wir, die Nutzer…