Kaum ein Thema hat in den letzten Jahren so viel Aufwind erfahren wie die Diversität in unserer Gesellschaft. Das hat sicher viel mit einer Vernetzung der digitalen Öffentlichkeit zu tun, doch sollte dieser Umstand nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Debatte an sich längst überfällig war. Dabei meint Diversität erst mal nichts anderes als Vielfalt. In Bezug auf unsere moderne Gesellschaft hat die Aufwertung von Diversität damit vor allem mit Teilhabe und Gerechtigkeit zu tun. Und bringt, wie viele Beispiele beweisen, enorme Vorteile mit sich. Das gilt nicht nur für unser soziales Miteinander, sondern gerade auch im unternehmerischen Kontext. Wir verraten warum.
Vereint durch Einzigartigkeit
Menschen sind verschieden: Sie sind unterschiedlich alt, haben auf unterschiedliche Arten eine Sozialisation erfahren, haben diverse kulturelle Backgrounds, üben verschiedene Religionen aus, haben eine oder keine sexuelle Orientierung, fühlen sich einem oder keinem Geschlecht zugehörig, sprechen eine oder mehrere von über 6.500 Sprachen. Sie leben mit und ohne Behinderungen, haben unterschiedliche Traditionen, Werte und Vorstellungen. Kurzum: Es ist ihre individuelle Einzigartigkeit, die sie als Persönlichkeiten auszeichnet und, ja… eben auch verbindet.
Damit ist auch ein individuelles Set an Kompetenzen verbunden, das sich ein Unternehmen zunutze machen kann. Viele moderne Arbeitgeber haben die daraus resultierenden Potenziale bereits erkannt und arbeiten aktiv daran, Diversität in ihre Firmenwerte zu integrieren. Die 2006 ins Leben gerufene Charta der Vielfalt beweist das eindrucksvoll. Das Diversität nicht nur die Stärken des eigenen Teams beflügelt und Innovationen vorantreibt, sondern auch dem Image eines Unternehmens überaus guttut, beweisen Bigplayer wie VW oder Adidas, die beispielsweise die Multinationalität ihrer Teams sogar als Marketingbotschaft nutzen.
Was gelebte Vielfalt mit sich bringt
Wenn sich Mitarbeiter aus der eigenen Gewohnheitsspirale entfernen müssen, um sich mit neuen Perspektiven, Meinungen und Werten auseinanderzusetzen, fördert dies viele positive Effekte. Auf der einen Seite ist hier natürlich die soziale Kompetenzerweiterung zu nennen, welche die Atmosphäre innerhalb der Belegschaft und gleichzeitig die Kommunikation nach außen verbessert – so zum Beispiel im Kontakt mit Kunden. Auf der anderen Seite kann eine offene Organisationskultur im Team einen echten Kreativitätsschub erzeugen und viele, frische Ideen hervorbringen.
Wer als Führungskraft die individuellen Stärken seiner Mitarbeiter erkennt und diese gezielt einzusetzen weiß, stärkt die allgemeine Motivation und Zufriedenheit, was sich längerfristig im Unternehmenserfolg widerspiegelt. D.h. je diverser die Belegschaft, desto mehr Kompetenzen stehen zur Verfügung und umso größer ist der Wettbewerbsvorteil. Experten sprechen mitunter sogar davon, dass Unternehmen, die sich struktureller Diversität verwehren, in einer globalisierten Welt mit immer stärker werdendem Fachkräftemangel künftig keine Überlebenschancen mehr haben.
In neuen Dimensionen denken
Wer Diversität verstärkt in den eigenen Wertekanon miteinbinden möchte, muss darauf achten, jeden Bereich des Unternehmens an diesem Vorgang zu beteiligen. Es ist wenig sinnvoll, nur die Recruiting- bzw. Personalabteilung mit dieser Aufgabe zu vertrauen, wenn sich das Mindset in den übrigen Teilen des Unternehmens nicht weit genug öffnen kann. Es ist wie mit vielen, strukturellen Veränderungen: Transparenz und Kommunikation sind auch hier die Schlüssel zum Erfolg! Wer frühzeitig geeignete Ziele definiert, für den sind auch die Erfolge solcher Maßnahmen besser messbar.
Im Diversity-Management geht es um eine genaue Wahrnehmung der Mitarbeiter, d.h. um eine detaillierte Auseinandersetzung mit deren Persönlichkeiten, aber auch Erfahrungen oder soziokulturellen Hintergründen. Um weg von einer homogenen und hin zu einer heterogenen Mitarbeiterstruktur zu kommen, hat es sich bewährt, einer Identität mehrere Dimensionen zuzuschreiben. In der Praxis wird meist in drei Dimensionen unterteilt:
- Organisationale Dimension: Damit sind jene Attribute gemeint, die einen Mitarbeiter im Unternehmen identifiziert wie beispielsweise die Abteilung, seine Funktion, die Dauer seiner Zugehörigkeit usw.
- Äußere Dimension: Dazu gehören Attribute wie Familienstand, Berufserfahrung, Ausbildung oder sonstige Gewohnheiten, über die sich ein Mitarbeiter generell auszeichnet.
- Innere Dimension: Hierunter fallen die Faktoren, die einen Mitarbeiter ausmachen, ihn also exakt definieren. Oder anders ausgedrückt: Die ihn zu dem machen, der er ist. Beispiele dafür sind Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder die Religions- und Weltanschauung.
Während die ersten beiden Dimensionen eine gewisse Wandlungsfähigkeit beinhalten, ist es vor allem die innere Dimension, an die das Diversitätsmanagement anknüpfen muss.
Wie also Diversität im Unternehmen verankern?
Diversität im Unternehmen bedeutet mehr als nur die Erfüllung von Quoten. Sie erfordert im Recruiting zunächst ein objektives Bewertungsvermögen nach fairen Maßstäben. Stellenanzeigen müssen so gestaltet sein, dass sie eine große Menge potenzieller Bewerber ansprechen, d.h. der Fokus muss ganz klar auf den verlangten Qualifikationen bzw. Anforderungen liegen und personenbezogene Details ausklammern. Ein Beispiel dafür können anonymisierte Bewerbungsverfahren sein, die Aspekte wie Name, Geschlecht, Alter, Aussehen oder Nationalität erst gar nicht beachten (in Deutschland leider noch nicht ausreichend vertreten).
Derartige Maßnahmen sollen in erster Linie der unbewussten Voreingenommenheit im HR-Bereich entgegenwirken. Beinahe jeder Mensch hat solche unbewussten Vorurteile, welche auch ungewollt die eigenen Entscheidungen beeinflussen. Im Personalmanagement kann ein solche Voreingenommenheit aber zu akuter Benachteiligung führen. Spezielle Schulungen der Personalabteilung, z.B. durch externe Berater, können letztendlich in der Auswahl- und Kennenlernphase gute Anhaltspunkte vermitteln, um unbewusste Vorurteile aufzuarbeiten.
Wie bereits erwähnt, spielt offene Kommunikation bei der Diversität eine übergeordnete Rolle. Dazu gehört auch, eine regelmäßige Feedback-Möglichkeit für Mitarbeiter und Führungskräfte anzubieten. Viele Unternehmen arbeiten im Rahmen ihres Diversity-Managements außerdem aktiv am Austausch der Angestellten mit. Beispiele gefällig? Neben möglichst diversen Teambesetzungen oder Generations- und Inklusionstandems werden auch sogenannte Cultural Awareness Trainings in mittelständischen Betrieben immer beliebter. Dabei werden den Angestellten gezielt Informationen zu kulturellen, religiösen oder gesellschaftlichen Aspekten einzelner Mitarbeiter oder sozialer Gruppen innerhalb der Belegschaft vermittelt, um gegenseitigen Respekt und ein achtsames Miteinander zu fördern. Ein interkultureller Kalender, der z.B. wichtige Feiertage verschiedener Religionsgemeinschaften enthält, kann hier ein offenes Bewusstsein schaffen.
Und damit ist es bei weitem noch nicht getan. Generelle Lösungen machen im Diversity-Management selbstverständlich nur wenig Sinn, da dieses ganz spezifisch an das eigene Unternehmen angepasst werden muss. Eine Aufgabe darf unabhängig aller Maßnahmen jedoch niemals vernachlässigt werden: Das konsequente Vorgehen gegen alle Arten von Diskriminierung – ein enorm wichtiger Punkt, der eine sorgfältige und dauerhafte Beobachtung der Unternehmenskultur impliziert. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern auf dieser Website die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.