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Digitalisierung: 5 Dinge, auf die der Mittelstand 2022 achten sollte

Nachfolge in Familienunternehmen ist eine große Herausforderung. Gerade in der Digitalisierung bringt sie aber auch viele Chancen mit sich.
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Digitalisierung: 5 Dinge, auf die der Mittelstand 2022 achten sollte

Nachfolge in Familienunternehmen ist eine große Herausforderung. Gerade in der Digitalisierung bringt sie aber auch viele Chancen mit sich.

Die Geschäftsführung eines mittelständischen Unternehmens bat mich, auf ihrer Jahresversammlung eine Keynote zu halten. Was denn die speziellen Herausforderungen seien und welche Art von Vortrag sie sich wünschten, fragte ich. Die Antwort lautete: “Sprechen Sie gerne über Digitalisierung und Veränderungsprozesse im Mittelstand.“ Das Interessante: Das Gespräch liegt vier Jahre zurück. Und heute? Die Anfragen sind (fast) identisch. Alleine im September 2022 habe ich fünfmal fast das gleiche Thema bei einer Keynote gehalten, wie damals.

Man könnte also denken: Es hat sich nicht viel getan. Das ist nicht ganz richtig, wie ich bei meinen Beratungsprojekten feststelle. Deshalb möchte ich Mittelständlern im Jahr 2022 einige spezielle Anregungen mit auf den Weg geben, um Veränderung zu initiieren. Die Reihenfolge der einzelnen Maßnahmen führe ich auf subjektive Erfahrungen zurück.

Anregungen für Veränderungsprozesse im Mittelstand

1. Raus aus der Projektdenke

Eine CRM-Einführung ist nicht ausschließlich ein Projekt. Der Aufbau einer Webseite ist kein Projekt. Das papierlose Büro ist kein Projekt. All das sind hochstrategische, dauerhafte Aufgaben im Unternehmen, die nicht von einzelnen, statischen Gruppen/Projektteams gesteuert werden können. Digitalisierung, Transformation ist kein Projekt. Diese Erkenntnis ist elementar und die entsprechende Haltung muss sich sowohl im Top-Management als auch an der Basis durchsetzen.

Beispiele hierfür sind dauerhafte Initiativen wie “Unternehmen xy Zukunft” oder “Unternehmen xy Mission Change”, in denen abteilungs-, bereichs- und ebenen übergreifend gearbeitet wird, in denen aufgeklärt, inspiriert und auch “gefordert” wird. Unternehmen bestehen aus Menschen und nur wenn diese sich ändern, passen sich auch die Unternehmen als Ganzes an.

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2. Etablierung der „richtigen“ Kultur

Stellt sich die Frage, was eine richtige Kultur ist? Das ist natürlich immer individuell zu betrachten. Wichtig: Gibt es überhaupt eine Kultur, eine DNA, für die das Unternehmen steht? Und wenn ja, was wird getan, um diese umzusetzen? Viele Unternehmen klagen über Mitarbeitermangel. Dabei sind häufig die, die am lautesten schreien, diejenigen, die am wenigsten machen. Eine Kultur bedeutet Haltung. Dazu gehören beispielsweise Governance, Werte, Arbeitsmethoden. Die einfache Formel: Ohne Kultur keine Anpassung. Und die ist in Zeiten der immer schnelleren Veränderung dringend notwendig.

3. Fokus auf die Mitarbeiter

Natürlich sollten Unternehmen heute den Kunden, seine Probleme und Herausforderungen so in den Mittelpunkt stellen, dass sie in der Lage sind, seinen Bedürfnissen schneller und besser Rechnung zu tragen.

Häufig aber werden die Kundenbedürfnisse über die der Mitarbeiter gestellt. Wenn wir den Kunden in den Vordergrund stellen, dann müssen wir den Mitarbeiter aber mindestens genauso stark in den Vordergrund stellen. Das bedeutet, den Bedürfnissen der Mitarbeiter ebenfalls Rechnung zu tragen: Dabei geht es nicht nur Geld, sondern, je nach Persönlichkeit, auch um völlig andere Dinge, wie Herausforderung, Work-Life-Balance, persönliches und fachliches Wachstum. Konsequenterweise agiert dann das Unternehmen, das Management, zukünftig als Coach und Lebensbegleiter. 

4. Technologie

Das strategische Aufsetzen eines Tech-Stacks bedeutet, sich unternehmensübergreifend über den Einsatz von Software und Technologie Gedanken zu machen. Das ist eine schwierige Aufgabe, die eine starke Koordination bedingt, nur abteilungsübergreifend mit einer langfristigen Ausrichtung geschehen sollte.

Um nur einige Dimensionen aufzuzeigen und die Komplexität zu verdeutlichen:

  • Datenschutz oder juristische Themen: Die Macht des deutschen Datenschützers ist im Mittelstand immer noch viel zu groß. Wir brauchen hier mehr Lösungsorientierung neben dem bereits vorhandenen Problembewusstsein
  • Überarbeitung der Produkte und Services im Sinne der “Customer Centricity”.
  • Make or Buy: Was machen wir selbst, wo individualisieren wir und wo setzen wir auf “Standard-Systeme”, die sich anpassen lassen? (Ich bin fast immer ein Anhänger der zweiten Möglichkeit.)
  • Finanzierung: Die Verbesserung all dieser Prozesse bedarf einer Finanzierung. Wer zahlt das CRM-System? Wer trägt die Kosten für die SAP-Einführung? Hier stoßen Unternehmen häufig auf Herausforderungen.

Das sind nur einige Aspekte zum Thema Technologie, die aber verdeutlichen, wie vielschichtig das Thema ist. Ich habe als externer Berater positive Erfahrungen damit gemacht, wenn Unternehmen sich hierfür Hilfe von außen holen.

5. Einsatz agiler Methoden

Wie bei allen anderen Maßnahmen zur Digitalisierung hängt der Einsatz agiler Methoden mit den anderen Maßnahmen zusammen und funktioniert nur, wenn alle berücksichtigt werden.

Agile Methoden wie SCRUM, Build – Measure – Learn, OKR, Design Sprint, Kanban oder Lean Startup können nur dann sinnvoll zum Einsatz kommen, wenn die Unternehmenskultur dies vorsieht und zulässt. Wichtig ist auch hier die strategische, weitsichtige Planung gepaart mit Beharrlichkeit und Konsequenz in der operativen Umsetzung. Denn klar ist, dass Veränderung und auch eine veränderte Führungskultur zunächst schwierig ist und häufig sogar aktiv boykottiert wird

Fazit

Deutschlands Mittelstand ist mittendrin in der Digitalisierung. Und das wird auch die nächsten Jahrzehnte so bleiben, denn wir sprechen von einem dauerhaften Prozess und nicht von einem Projekt. Ich habe exemplarisch fünf Herausforderungen genannt, die JEDES Unternehmen betreffen. Natürlich ist jedes Unternehmen separat und individuell zu betrachten, aber eines meiner zentralen Learnings aus zahlreichen Digitalisierungsprojekten ist, dass wir viel zu wenig Energie einsetzen, um aus den Fehlern anderer zu lernen.

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Dr. Hubertus Porschen

Dr. Hubertus Porschen ist Unternehmer, mehrfacher Gründer im E-Commerce-Bereich, Berater, Buchautor und ehemaliger Bundesvorsitzender des Verbands „Die Jungen Unternehmer“. Er unterstützt als Strategieberater den deutschen Mittelstand in der Entwicklung und Umsetzung von digitalen Marketing- und Vertriebsstrategien. In seinem Buch "Digitaler Suizid" befasst er sich mit dem Status Quo und möglichen Zukunftsszenarien der Digitalisierung im Mittelstand.
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