Mit seinen 80 Jahren blickt Prof. Dr. Heinrich von Pierer auf ein bewegtes Leben zurück. Für den Siemens-Konzern war er über 30 Jahre tätig, zuletzt als Vorstandsvorsitzender und Aufsichtsratsvorsitzender. Im Gespräch mit Sabine Michel und Prof. Dr. Arnold Weissman gab er den Zuschauern des UnternehmerTALK am 20. Juli einen Einblick in sein Leben und plauderte ein wenig aus dem Nähkästchen.
In seiner Zeit bei Siemens war er gezwungen weitreichende Umstrukturierungen durchzuführen, die meistens mit schwierigen Entscheidungen verbunden waren. Sein Ansatz war dabei immer, den Kunden in den Mittelpunkt zu rücken und aus seiner Perspektive zu denken. „Bringe nichts auf den Markt, was der Kunde nicht braucht. Denn der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“, war seine Devise.
Daraus ableitend stellte er einmal eine Erfolgsformel auf: Kenntnis der Kundennöte plus Inspiration multipliziert mit langem Atem plus Transpiration ist gleich Markterfolg. „Im Gegensatz zu vielen anderen Konzernlenkern spricht Heinrich von Pierer eher die Sprache der Familienunternehmer, indem er sagt, ein Unternehmer muss langfristig denken“, kommentierte Arnold Weissman die Erfolgsformel. „Und das macht ihn einzigartig.“
Innovation und Fortschritt
Neben seiner beruflichen Karriere schlug von Pierer auch eine politische Laufbahn ein und durfte sowohl Helmut Kohl als auch Gerhard Schröder und Angela Merkel beraten. Hier war es ihm vor allem wichtig, Innovationen voranzutreiben und Deutschland als starken Wirtschaftsstandort zu positionieren.
Bei einem Aufenthalt im Kohl’schen Ferienhaus überzeugte er den Altkanzler davon, einen Rat für Innovation und Wachstum zu etablieren, dessen Leiter er viele Jahre lang war. Als Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft durfte er alle drei Bundeskanzler nach Fernost begleiten und erlebte dabei viele Geschichten und Anekdoten.
Auch heute hat Asien – vor allem China – seiner Ansicht nach, eine große Bedeutung für die deutsche Wirtschaft und deren Aktivitäten müssen auf dem deutschen Markt beobachtet werden. Diese Meinung teilt auch Arnold Weissman: „Wir müssen vor allem aufpassen, dass wir nicht noch mehr Schlüsseltechnologien nach Asien verkaufen, denn die sind das Herzstück unserer Wirtschaft.“
Mit dem Rücken zur Wand
Mit den Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Schmiergeldskandal endete 2007 seine Zeit bei Siemens. „Es war eine schwere Zeit für mich damals. Ich hatte das Gefühl, selbst wenn ich mich mit dem Rücken zur Wand stelle, kommt noch jemand, der mir von hinten ein Messer in den Rücken jagt“, berichtet von Pierer.
Viele Freunde und Bekannte haben sich damals von ihm abgewendet. Es gab aber auch Personen, die nach wie vor zu ihm standen. So erinnert er sich zum Beispiel an einen Besuch bei Altkanzler Helmut Schmidt. Seine Frau Loki, die damals schon auf eine Gehhilfe angewiesen war, ließ es sich nicht nehmen, ihm persönlich die Tür zu öffnen und ihn mit den Worten „Nur dass Sie es wissen, Sie kommen heute zu Freunden“ zu begrüßen.
Letztendlich einigte sich von Pierer mit dem Konzern in einem Vergleich und ersparte damit sich, seiner Familie und dem Unternehmen einen langwierigen und nervenaufreibenden Prozess.
Englischkenntnisse sind heute eine Grundvoraussetzung
Heute ist Heinrich von Pierer als Unternehmensberater und Honorarprofessor an der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen tätig und hat sehr viel mit jungen Menschen zu tun. Wenn sie ihn fragen, was für eine gute Karriere wichtig ist, dann gibt er ihnen stets den Rat, ihre Ausbildung vernünftig abzuschließen und fließend Englisch zu lernen: „Bei mir hat damals kein Mensch gefragt, ob ich englisch sprechen kann. Heute ist das eine Grundvoraussetzung.“