Es ist schon nicht ganz einfach, was einem als Unternehmer so alles abverlangt wird. Seit dem 01. Januar 2021 sind mit der Einführung des StaRUG (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz) nun auch noch alle Geschäftsleiter gesetzlich zur Führung eines Krisenfrüherkennungssystems verpflichtet. Auch wenn die Geschäftsleiter mit der Führung eines solchen Systems sicher auch von erstrebenswerten Erkenntnisgewinnen profitieren und die Führung daher schon im Eigeninteresse äußerst sinnvoll ist, kann die Missachtung der Führungspflicht zivil- und sogar strafrechtliche Folgen nach sich ziehen – insbesondere im Falle einer Insolvenz.
Weitergehende Schwierigkeiten können sich bei Unternehmen, deren Jahresabschluss einer Prüfungspflicht unterliegt bzw. die sich einer solchen Prüfung freiwillig unterwerfen, ergeben. Soweit vom Prüfer im Zuge der Jahresabschlussprüfung kein oder kein geeignetes Krisenfrüherkennungssystem festgestellt werden kann, liegt ein Gesetzesverstoß vor, der eine Berichtspflicht des Abschlussprüfers nach § 321 Abs. 1 S. 3 HGB auslöst. Es ist sicher nicht erfreulich, einen solchen Gesetzesverstoß mit den Adressaten des Prüfberichts (Aufsichtsrat, Beirat etc.) zu besprechen und sich zum Versäumnis erklären zu müssen.
Bereits vor Einführung des StaRUG waren die Geschäftsleiter dazu verpflichtet, bestandsgefährdende Insolvenzgefahren im Blick zu behalten und bei Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit innerhalb von drei Wochen oder bei Eintritt einer Überschuldung innerhalb von sechs Wochen einen Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Zahlungsunfähigkeit bedeutet in diesem Fall, dass das Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, finanzielle Verpflichtungen bei Fälligkeit erfüllen zu können. So weit, so gut.
Was aber hat es mit der Überschuldung und damit dem zweiten zwingenden Insolvenzantragsgrund auf sich? Eine Überschuldung wird meistens erst – zu spät! – im Zuge der Aufstellung eines Jahresabschlusses wahrgenommen, wenn auch eine buchmäßige Überschuldung vorliegt. Allein dies ist Anlass genug für eine insolvenzrechtlich geprägte Überschuldungsprüfung. Eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne liegt vor, wenn das Vermögen eines Unternehmens dessen bestehende Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist dennoch überwiegend wahrscheinlich.
Was bedeutet dies nun konkret für einen Geschäftsleiter? Eine Fortführung ist dann überwiegend wahrscheinlich, wenn sich eine positive Fortbestehensprognose, bei welcher es sich im Kern um eine Zahlungsfähigkeitsprognose handelt, aufstellen lässt. Der Zeitraum, über den sich eine solche Prognose erstrecken muss, beträgt vier bis zwölf Monate. Bleibt das Unternehmen im Prognosezeitraum zahlungsfähig, was durch eine integrierte Planung belegt und dokumentiert werden sollte, ist einen positive Fortbestehensprognose gegeben und weitere Prüfungsmaßnahmen erübrigen sich.
Sollte die Fortbestehensprognose negativ ausfallen, ist in einem zweiten Schritt das Vermögen zu Zerschlagungs- und Liquidationswerten zu beurteilen, was schwieriger und aufwändiger sein kann, als viele annehmen. Die entsprechenden Werte werden anschließend den Verbindlichkeiten gegenübergestellt. Wenn das Vermögen die Schulden deckt, ist die Überschuldungsprüfung abgeschlossen und es sind keine weiteren Maßnahmen zu ergreifen. Sollte das Vermögen die Schulden aber nicht mehr decken, liegt eine insolvenzrechtlich relevante Überschuldung vor. Ein Insolvenzantrag muss dringend gestellt werden.
Im Zuge der Covid-19-Pandemie haben sich viele Unternehmen zur Tragung der laufenden Kosten neu verschuldet, sei es nun durch Stundung fälliger Zahlungen, durch den Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen oder durch die Aufnahme neuer Kredite. Dies kann sehr schnell zum Eintritt einer Überschuldung führen, ohne dass sich dies einem Geschäftsleiter, der kein Krisenfrüherkennungssystem implementiert hat, gleich aufdrängt. Da die Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags ab Eintritt der Überschuldung (nicht deren Feststellung!) nur sechs Wochen beträgt, muss eine laufende Überschuldungsprüfung stattfinden.
Die Aufstellung einer Fortbestehensprognose erfordert entsprechende fachliche Kenntnisse und ist üblicherweise sehr zeitaufwändig. Da es darüber hinaus vom Ergebnis einer Überschuldungsprüfung abhängig sein kann, ob ein Jahresabschluss zu Fortführungs- oder Zerschlagungswerten aufzustellen ist, bietet es sich insbesondere auch aus Haftungsgründen an, sich bei der Aufstellung der Fortbestehensprognose professionelle Unterstützung ins Haus zu holen.