„Es darf keine Ramschpreise für Lebensmittel mehr geben.“ Mit dieser Forderung sorgte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir Ende Dezember für großen Wirbel. Damit möchte er für ein besseres Einkommen der Bauern, faire Löhne in der Produktion von Lebensmitteln, aber auch für bessere Haltungsbedingungen in der Tiermast sorgen.
Das sind nachvollziehbare Beweggründe, aber ist eine Erhöhung der Lebensmittelpreise der richtige Weg? Denn zum einen drängt sich die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit auf. In Deutschland gelten derzeit rund 13 Millionen Menschen als arm und sind auf staatliche Hilfe angewiesen. Höhere Lebenshaltungskosten können sich diese Familien nicht leisten.
Zum anderen gibt es berechtigte Bedenken, ob das dadurch erwirtschaftete Geld wirklich für eine umweltfreundlichere Landwirtschaft verwendet wird. Tatsächlich arbeitet die Bundesregierung bereits seit Längerem an verschiedenen Konzepten für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion, denn die Kosten dafür sollten nicht nur die Bauern tragen. Aber, von Bio allein werden wir nicht satt!
Probleme der konventionellen Landwirtschaft
Bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf knapp 10 Milliarden Menschen ansteigen. Schon heute leiden rund 800 Millionen an Hunger. Dem gegenüber stehen etwa 2 Milliarden übergewichtige Menschen, die an Wohlstandskrankheiten wie Diabetes, Adipositas oder Bluthochdruck leiden, bedingt durch ungesunde Ernährung. Es braucht also mehr als einen Preisanstieg bei Lebensmitteln. Wir brauchen innovative Konzepte, um den Bedürfnissen langfristig gerecht werden zu können.
Die Ernährung der Zukunft steht gleich vor mehreren Herausforderungen: Sie muss die wachsende Weltbevölkerung ausreichend und vor allem ausgewogen ernähren. Dabei kämpft sie mit schwindenden landwirtschaftlichen Ressourcen und den Folgen des Klimawandels. Gleichzeitig muss sie auch in Ausnahmensituationen, wie der Coronapandemie und den daraus resultierenden Lieferschwierigkeiten, eine ausreichende Versorgung gewährleisten.
Die globale Nahrungsmittelproduktion ist einer der größten Stressfaktoren für unseren Planeten und verursacht rund ein Viertel aller umweltschädlicher Treibhausgase. Bei der Herstellung eines Kilogramms Rindfleisch beispielsweise entstehen etwa 22 Kilogramm Treibhausgase, zusätzlich werden 9,4 Kilogramm Getreide, 11.500 Liter Wasser und etwa 50 Quadratmeter Fläche verbraucht.
Der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden schadet nicht nur unserer Gesundheit, sondern beschleunigt das Artensterben vor allem unter den Insekten. Die konventionellen Monokulturen benötigen große Flächen, für die immer mehr Wälder gerodet werden. Dies bedingt jedoch immer häufiger Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Dürren, was wiederum zu Ernteausfällen führt.
Alternative Ernährungsquellen
Was also sind die Alternativen? Schon heute kristallisieren sich verschiedene Trends heraus. Generell legen Verbraucher immer größeren Wert auf regionale Lebensmittel aus Bio-Produktion. Bereits 2017 gaben in einer Studie der Techniker Krankenkasse 50 % der Befragten an, dass gesunde Ernährung das Hauptkriterium bei der Wahl der Lebensmittel ist. Der Geschmack spielte bei lediglich 36 % die wichtigste Rolle.
Damit einher geht auch ein weiterer Trend, den die Corona-Pandemie zusätzlich verstärkt hat: Die Menschen haben ihre Küche und den Spaß am Kochen wiederentdeckt. Das Individuum heutzutage möchte nicht nur konsumieren, sondern genießen. Es will wissen, was in seinem Essen steckt. Vor allem Millennials wollen hochwertige Qualität, ethisch vertretbare Produktionsbedingungen und einen fairen und transparenten Handel. Das befeuert die Nachfrage nach regionalen und saisonalen Produkten – Slow-Food statt Fast-Food.
Schon Winston Churchill wusste, dass wir irgendwann „der Absurdität entkommen, ein ganzes Huhn zu züchten, um die Brust oder die Flügel zu essen, indem wir einzelne Teile in einem geeigneten Medium züchten“.
Was damals nach Science-Fiction klang, ist heute Realität. Forscher beschäftigen sich seit vielen Jahren mit der Herstellung von In-vitro-Fleisch. Für die Massenproduktion ist es heute zwar noch zu teuer, auch fehlen belastbare Ergebnisse zu den Aspekten Gesundheit, Tierwohl und Umwelt, dennoch ist das Fleisch aus dem Labor eine echte Alternative für die Ernährung der Zukunft.
Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass der Fleischkonsum in den nächsten Jahren zurückgehen wird, wir also den Peak Meat in naher Zukunft erreichen werden. Der Trend zum Veganismus nimmt schon heute von Jahr zu Jahr zu, 52 % der Deutschen ernähren sich außerdem bewusst oder unbewusst flexitarisch – sie essen also nur an zwei bis drei Tagen in der Woche Fleisch.
Algen und Insekten – Super-Foods der Zukunft
2040 könnten rund 60 % der heutigen Fleischprodukte durch gezüchtete oder pflanzliche Alternativen, wie Soja, Karotten, Erbsen oder Grünkern, ersetzt werden. Neben pflanzlichen Erzeugnissen werden in Zukunft auch insektenbasierte Fleischalternativen eine große Rolle spielen.
Insekten sind eine echte Proteinquelle und liefern außerdem gesunde Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Selbst Menschen mit Lactose- oder Fruktoseintoleranz vertragen die kleinen Proteinbomben ganz gut.
Auch innovative Produkte aus Algen sind heute schon auf dem Vormarsch und könnten bis 2030 den Markt erobern. Das sogenannte Wunder-„Getreide“ liefert viele Vitamine, Ballaststoffe sowie Eiweiß und kommt nicht nur in vielen Fleischersatzprodukten vor, sondern lässt sich auch als Mehl zum Backen oder als Pulver zur Zubereitung verschiedenster Gerichte verwenden. Der Anbau von Algen ist außerdem deutlich effizienter als die konventionelle Landwirtschaft. Zum Vergleich: Der jährliche Ertrag an Algen pro Hektar liegt bei rund 25.000 Tonnen, beim herkömmlichen Getreide gerade mal bei 5 bis 8 Tonnen.
Digitalisierung und KI – ein Ausblick
Der Markt für alternatives Fleisch boomt, gleichzeitig schreitet die Digitalisierung in der Agrarwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion stark voran. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird auch in der Lebensmittelbranche künftig unverzichtbar sein.
Der Wandel hat begonnen, die Frage ist nur: Was machen wir daraus? Start-ups in der Agrarszene ziehen enormes Kapital an. Die großen Unternehmen wie Amazon oder die Google-Mutter Alphabet haben das schon längst erkannt, investieren kräftig und sammeln jetzt schon fleißig Daten.
Auch in der Gastronomie wird sich einiges ändern. Service-Roboter und autonome Lieferdienste werden bereits getestet und gehören künftig sicherlich zum Standard.
Und auch wenn die deutschen Unternehmen hier noch etwas verhalten sind, muss ebenso bei uns ein von Innovationen geprägtes Umdenken stattfinden. Denn eines können wir jetzt schon sagen: Die konventionelle Lebensmittelproduktion stößt gerade an ihre Grenzen und ist aktuell nicht zukunftsfähig.