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Wie Arbeit glücklich macht – oder muss sie das überhaupt?

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Wie Arbeit glücklich macht – oder muss sie das überhaupt?

80.000 Stunden – so viel Zeit verbringen wir im Durchschnitt am Arbeitsplatz. Eine gewaltige Zahl, die sich zwangsläufig auch auf unser Leben auswirkt. Unsere Gesellschaft vermittelt oft die Botschaft: „Ich arbeite, also bin ich.“ Denn was wir tun, definiert uns. Klassische 9-to-5-Jobs gelten inzwischen für viele jedoch als abschreckendes Modell. Immer mehr Menschen legen besonderen Wert auf Selbstverwirklichung oder eine ausgewogene Work-Life-Balance – häufig sogar mehr als auf Gehalt oder Karrierechancen.

Doch ist ein Job, der uns erfüllt, wirklich der Schlüssel zum Glück? Oder ist es gar nicht seine Aufgabe, uns glücklich zu machen? Der Arbeitsforscher und Psychotherapeut Claas Lahmann erklärt, wie Arbeit glücklich machen kann – und was man tun sollte, wenn das nicht mehr der Fall ist.

Die unbeliebtesten Berufe

Es gibt Jobs, die einem schon beim bloßen Gedanken daran jegliche Freude nehmen – was selbstverständlich subjektiv ist. Dennoch zählen laut einer Umfrage der Jobbörse Indeed folgende Berufe zu den unbeliebtesten in Deutschland:

  1. Versicherungsvermittler
  2. Politiker
  3. Fernfahrer
  4. Landwirt
  5. Grundschullehrer
  6. Reinigungskraft
  7. Bankangestellter

Ebenfalls nicht den besten Ruf haben außerdem Gewerkschaftsfunktionäre, Steuerbeamte bzw.  Beamte im Allgemeinen. Bedeutet das jedoch automatisch, dass diese Menschen in ihrem Berufsleben unglücklich sind?

Menschen, die mit IT-Technik hohe Summen verdienen, als Yogalehrer oder Influencer ein entspanntes Leben führen oder als digitale Nomaden die Welt bereisen und von überall arbeiten – sie scheinen das Traumlos gezogen zu haben. Oft ist es jedoch weniger der Beruf selbst, der einen belastet, sondern vielmehr die Arbeitsbedingungen. Denn die meisten Menschen machen ihren Job gerne, die Umstände stimmen einfach nicht.

Die vier Säulen zufriedenen Arbeitens

In seinem Buch „Wie Arbeit glücklich macht“ erläutert Prof. Claas Lahmann die Aspekte, die darüber entscheiden, ob wir uns an unserem Arbeitsplatz wohl fühlen – oder nicht. Darin identifiziert er vier zentrale Säulen, die für ein zufriedenes und gesundes Arbeitsleben entscheidend sind: 

  1. Geben-Nehmen-Bilanz: Wer sich angemessen entlohnt fühlt, sei es finanziell oder durch Anerkennung, bleibt engagiert und zufrieden. Ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung führt oft zu Unzufriedenheit und innerer Kündigung.
  2. Gerechtigkeit: Transparente Entscheidungsprozesse und faire Behandlung sind essenziell für Loyalität und Motivation. Ungleichbehandlung oder fehlende Entwicklungschancen wirken sich hingegen negativ auf die Arbeitsmoral aus.
  3. Autonomie: Die Möglichkeit, eigenständige Entscheidungen zu treffen, fördert Zufriedenheit und Motivation. Mitarbeiter, die ihre Arbeit selbst strukturieren können, empfinden weniger Stress und mehr Erfüllung.
  4. Psychologische Sicherheit: Ein Arbeitsumfeld, in dem Fehler zugegeben und Ideen frei geäußert werden können, fördert Innovation und Wohlbefinden. Wer sich sicher fühlt, bringt sich aktiver ein und arbeitet kreativer.

Love it, leave it or change it: Jeder hat die Wahl

Die englische Lebensweisheit „Love it, leave it or change it“ ist vielen bekannt. Auf den ersten Blick mag sie wie ein kitschiges Küchen-Wand-Tattoo klingen, doch diese einfache Formel ist altbewährt und nach wie vor sehr wirkungsvoll. Denn sie erinnert uns daran, dass wir immer die Wahl haben – in diesem Fall zwischen drei Alternativen. In seinem Ratgeber erklärt Prof. Lahmann, welche das sind:

  • Love it: Sich auf die positiven Aspekte des Jobs konzentrieren und durch kleine Anpassungen die Freude erhöhen. Beispielsweise kann ein Perspektivwechsel helfen, um den eigenen Beitrag zum Unternehmenserfolg besser wahrzunehmen.
  • Change it: Wenn die Umstände belastend sind, gezielt Änderungen herbeiführen – sei es durch Gespräche, Fortbildungen oder Strukturveränderungen. Oft lassen sich viele Probleme durch offene Kommunikation mit Vorgesetzten oder Kollegen lösen.
  • Leave it: Wenn nichts hilft, sollte man den Mut fassen, sich umzuorientieren. Oft dauert es Jahre, bis unzufriedene Arbeitnehmer den Schritt zum Jobwechsel wagen, obwohl sie bereits lange darunter leiden.

Work-Life-Balance: Mythos oder Notwendigkeit?

Für Prof. Lahmann ist die Work-Life-Balance eng mit dem Begriff des glücklichen Arbeitens verknüpft. Dabei geht es ihm nicht um eine strikte Trennung von Beruf und Privatleben, sondern um eine stimmige Integration beider Bereiche. „Glückliches Arbeiten heißt, die eigene Tätigkeit als erfüllend zu empfinden und gleichzeitig genug Zeit und Energie für persönliche Interessen sowie zwischenmenschliche Beziehungen zu haben“, so Lahmann.

Um eine gesunde Work-Life-Balance zu erreichen, empfiehlt er daher eine Reihe von effektiven Strategien:

  1. Grenzen setzen: Es ist wichtig, klare Trennlinien zwischen Arbeit und Privatleben zu ziehen, etwa durch feste Arbeitszeiten und das bewusste Ignorieren von Arbeits-E-Mails nach Feierabend.
  2. Prioritäten setzen: Wichtige Aufgaben identifizieren und sich auf diese konzentrieren, anstatt sich in unwesentlichen Details zu verlieren.
  3. Regelmäßige Pausen: Pausen in den Arbeitsalltag integrieren, um neue Energie zu tanken und die eigene Produktivität zu steigern.
  4. Selbstfürsorge: Zeit für Hobbys, Sport und soziale Kontakte einplanen, um Stress abzubauen und das persönliche Wohlbefinden zu fördern.
  5. Offene Kommunikation: Den Austausch mit Vorgesetzten und Kollegen suchen, um über Arbeitsbelastung und persönliche Grenzen zu sprechen und gegebenenfalls Lösungen zu finden.

Fazit

Eine universelle Lösung für Glück im Berufsleben gibt es nicht – und auch Claas Lahmann kann sie nicht für jeden individuell aufzeigen. Arbeit sollte nicht unglücklich machen, aber sie muss uns auch nicht überglücklich stimmen. Der Beruf muss also keine Berufung sein. Die Zeiten, in denen Arbeit nur dem Überleben diente, sind vorbei – doch trotzdem sollten wir uns bewusst mit unserem Berufsalltag auseinandersetzen und sicherstellen, dass er zu unserem eigenen Wohlbefinden beiträgt.

Der Philosoph Volker Kitz geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt: viele Menschen haben nicht so sehr ein Problem mit Arbeit an sich, sondern mit den Erwartungen, mit denen sie heute überladen ist. Das Streben nach Glück richtet sich hierbei auf den falschen Fokus. Arbeit wurde nicht erfunden, um uns glücklich zu machen.

Sein Vorschlag: Wir sollten die Arbeit wieder nüchterner betrachten. Als eine Tätigkeit, welche die Gesellschaft braucht – und die Lebenshaltungskosten des Arbeiters bezahlt. Für ihn gilt: Arbeit ist Arbeit, wahres Glück findet man besser in der Freizeit

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Daniel Schumm

smic! Events & Marketing | Daniel ist unser Mann für den perfekten Mix aus Wortwitz und pointierter Formulierung. Mit 20 Jahren Radio-Erfahrung im Gepäck weiß er genau, wie man Geschichten erzählt, die hängen bleiben. Seine Texte sind lebendig, auf den Punkt und immer mit einer Prise Humor gewürzt – ein echter Genuss für unsere Leserinnen und Leser.
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