In der heutigen Geschäftswelt stellt unethisches Verhalten von Führungskräften ein oft unterschätztes, aber erhebliches Risiko für Unternehmen dar. Der kürzlich veröffentlichte ‘EY Global Integrity Report 2024’ beleuchtet dieses brisante Thema und liefert bedenkliche Erkenntnisse.
Ungleiche Anwendung von Integritätsrichtlinien
Laut dem Bericht glauben 31 % der Mitarbeiter, dass Compliance-Verstöße in ihrem Unternehmen bei Führungskräften eher toleriert werden als bei anderen Mitarbeitern. Diese Wahrnehmung offenbart ein tiefgreifendes Problem: Integritätsstandards scheinen je nach hierarchischer Position unterschiedlich ausgelegt und angewendet zu werden.
Zu den häufigsten Verstößen gegen Compliance-Richtlinien gehören:
- Korruption und Bestechung
- Geldwäsche
- Datenschutzverletzungen
- Kartellrechtsverstöße
- Insiderhandel
- Betrug und Bilanzfälschung
- Verstöße gegen Arbeitsrecht und Arbeitssicherheit
- Umweltverstöße
Diese Ungleichbehandlung hat das Potenzial, das Vertrauen der Mitarbeiter nachhaltig zu erschüttern und langfristig die Unternehmenskultur zu untergraben. Besonders in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten besteht die Versuchung, Fehlverhalten von Top-Performern oder hochrangigen Mitarbeitern zu tolerieren. Dies kann jedoch schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen, darunter rechtliche Sanktionen, hohe Geldstrafen und erhebliche Reputationsschäden für das Unternehmen und die verantwortlichen Personen.
Externe und interne Druckfaktoren
Der Bericht betont, dass Unternehmen nicht nur durch externe Bedrohungen unter Druck stehen, wie z.B. Cyber-Security- (26 %) oder Gesundheitskrisen (22 %), Erwartungen an die finanziellen Ergebnisse (22 %), Unterbrechungen der Lieferkette (21 %) oder geopolitische Bedrohungen (15 %).
Auch interne Faktoren tragen wesentlich zu Compliance-Verstößen bei. Fast die Hälfte der Befragten nennt ihre eigenen Mitarbeiter als einen entscheidenden internen Druckfaktor. Weitere wiederholt genannte interne Herausforderungen sind hohe Fluktuation der Angestellten (26 %), fehlende Ressourcen (25 %) und Druck durch das Management (24 %).
Whistleblowing-Hotlines
Als Reaktion auf diese Problematik gewinnen Whistleblowing-Hotlines zunehmend an Bedeutung. Sie dienen als wichtiges Instrument, um Compliance-Verstöße aufzudecken und zu verhindern. Erfreulicherweise ist der Anteil von Unternehmen, die solche Hotlines eingerichtet haben, in den letzten Jahren gestiegen.
Allerdings zeigt der Bericht auch eine kritische Tendenz: Über 54 % der Nutzer solcher Hotlines berichten, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlen, keine Verstöße zu melden. Dies verdeutlicht, dass trotz aller Fortschritte noch erhebliche Hindernisse bestehen, die eine wirklich transparente und offene Unternehmenskultur behindern.
Handlungsoptionen
Die Ergebnisse des ‘EY Global Integrity Report 2024’ unterstreichen die dringende Notwendigkeit für Unternehmen, Integritätsstandards entschlossen umzusetzen und zu überwachen. Folgende Maßnahmen sind entscheidend:
- Gleichbehandlung bei Verstößen, unabhängig von der Position oder Leistung des Beteiligten
- Effektive Implementierung und Nutzung von Whistleblowing-Systemen
- Etablierung einer Unternehmenskultur, die durch Transparenz und Vertrauen geprägt ist
Unternehmen müssen sicherstellen, dass alle Mitarbeiter, insbesondere Führungskräfte, die gleichen hohen Integritätsstandards einhalten. Verstöße sollten unabhängig von der Position des Beteiligten konsequent und einheitlich geahndet werden. Nur so kann langfristig eine ethische Unternehmenskultur etabliert und aufrechterhalten werden, die das Vertrauen der Mitarbeiter stärkt und das Unternehmensrisiko minimiert.
Zur Analyse des „EY Global Integrity Report 2024“ wurden 5.464 Mitarbeiter sowie Vorstands- und Geschäftsleitungsmitglieder aus 53 Ländern befragt.
Fazit: Jetzt handeln und Compliance-Strategien stärken
Unethisches Verhalten und die ungleiche Anwendung von Integritätsrichtlinien stellen erhebliche Risiken für Unternehmen dar. Um langfristigen Erfolg zu gewährleisten, müssen Unternehmen nicht nur externe Bedrohungen ernst nehmen, sondern auch die interne Unternehmenskultur kritisch hinterfragen und gezielt verbessern. Die konsequente Umsetzung von Integritätsstandards und die Förderung einer offenen und transparenten Kommunikationskultur, unterstützt durch effektive Whistleblowing-Systeme, sind dabei unerlässlich.
Unternehmen, die jetzt handeln und ihre Compliance-Strategien stärken, können nicht nur rechtliche und finanzielle Risiken minimieren, sondern auch das Vertrauen ihrer Mitarbeiter und Stakeholder nachhaltig sichern. Es liegt an den Führungskräften, als Vorbilder voranzugehen und eine Unternehmenskultur zu schaffen, die auf Ethik, Integrität und Verantwortung basiert.